Mit Terror leben?

Warum ich mich noch nicht zu den letzten Terroranschlägen zu Wort gemeldet hätte, wurde ich gefragt.

Weil ich mich nicht gleich in die Reihe der Verschwörungstheoretiker einreihen mag sondern erst abwarten will, bis offiziell bestätigte Fakten vorliegen – denn natürlich fantasiere ich ebenso wie die meisten am Zeitgeschehen Interessierten, wer und welche Absichten im Einzelfall dahinter stecken. Aber ich versuche auch, eine Zukunftssicht zu wagen, aus der heraus ich Konzepte entwickeln kann, wie wir alle dieser globalen Gefahr begegnen könnten …

Nekrophilie

„Autolenker prügelt torkelnden Fußgänger“ lese ich heute im Kurier: Der betrunkene Mann war „beim Vorbeifahren“ gegen dessen Auto gestoßen. Der hielt daraufhin an und soll laut Augenzeugen den Mann auf die Straße geworfen, ins Gesicht geschlagen und ihm eine blutende Wunde zugefügt haben. Eigentlich wäre es wohl angebracht gewesen, dem Alkoholvergifteten Hilfestellung zu leisten (auch […]

Gewalt durch REGELN

Es ist nicht das „Patzen“, das Hochstress auslöst – es ist die Reaktion der anderen Menschen, welche den GemaßREGELten die Schamröte ins Gesicht treibt. Aber wie sagte der polnische Regisseur Boleslaw Barlog doch so treffend: Fortschritt ist nur möglich, wenn man intelligent gegen die REGELN verstößt …

An Frauen (und Männer), die Hasspostings erhalten

Geplante Verbrechen haben es an sich, dass sie getarnt werden – sonst könnte man sie ja verhindern.

Wir werden uns also daher daran gewöhnen müssen, selbst wieder auf die „wilden Tiere“ im Großstadt- und Internet-Dschungel zu achten – und nicht (nur!) nach Schutzleuten und -einrichtungen zu rufen.

Hass im Netz

Zuerst: Ich finde es gut, dass die Medienfrauen – ein österreichweites Netzwerk schreibender Frauen – zu einem Flashmob gegen sexistische Hasspostings in sozialen Medien vor der Wiener Karlskirche aufgerufen haben.

Und es ist typisch, dass es Frauen sind, die aktiv werden …

Wahlbeisitzen

Auch ich war früher – als ich noch Kommunalpolitikerin, Mandatarin und Landtagskandidatin einer politischen Partei in Wien Favoriten (das damals als „die drittgrößte Stadt Österreichs“ politischen Führungsanspruch erhob) an Wahlen eingesetzt, allerdings nie als Wahlbeisitzerin …

Lernziel Solidarität

Es wären vor allem die Älteren in ländlichen Umgebungen Englands gewesen, die für den Austritt Großbritanniens aus der EU gestimmt hätten, meldeten die Zeitungen nach dem „Sieg“ der EU-Gegner nach der Volksabstimmung. Junge, Städtische und Gebildete hingegen hätten für den Verbleib gevoted.

Das wundert mich nicht …

Der politische Mord

Nach dem Mord an der britischen Labour-Abgeordneten und Brexit-Gegnerin Joanne Cox wird gerätselt, ob der „Britannien zuerst!“- Ruf des Mörders drauf schließen lässt, dass dieser ein Werkzeug der gleichnamigen Politgruppe sei. Fanatiker hat es immer schon gegeben – und manche hielten sich für ein auserwähltes Werkzeug Gottes, was auch immer sie unter Gott verstanden haben mögen. Vielleicht nur ihren inneren Zwang.

So berichtete auch der Bruder des verhafteten Mörders von dessen langwährenden psychischen Problemen. Dennoch erkennen wir bei diesen Überlegungen das Denkmuster, eine einzige Ursache für solch eine Untat zu suchen, zumindest aber Auslöser in der Vergangenheit. Würden wir diese erkennen, so wähnen wir, könnten wir uns schützen.

Aber das können wir nicht. Leider.

Der amerikanische Historiker Franklin L. Ford schreibt in seinem Buch „Der politische Mord“ (1985): „Die häufige Feststellung, dass ,des einen Terrorist des anderen Freiheitskämpfer ist‘ “  – sie bezieht sich auf ein Bonmot von Blaise Pascal (1623–1662) – „ist insofern nichtssagend, als praktisch alle Exponenten der politischen Gewalt ihre Bewunderer haben. Sie ist jedoch geradezu irreführend, wenn damit gemeint ist, dass alle Terroristen gleich sind  und dass ein Unterschied zwischen ihnen nur in den Augen des Beobachters existiert. Wie unbegründet eine solche Behauptung ist, zeigt der Unterschied zwischen den militanten Aktivisten, die nach dem altbekannten Trommelschlag des Patriotismus marschieren und denjenigen, deren Hauptangriffsziel die eigene Regierung und die Gesellschaft ist, die sie repräsentiert.“

Aus tiefenpsychologischer Sicht zeigt sich immer die Projektion von Hassgefühlen auf eine Vater- oder Mutterfigur, die für das eigene Elend verantwortlich gemacht wird und die Phantasie, man müsse die Gesellschaft von gefährlichen Tyrannen oder auch nur Verführern reinigen. Je attraktiver und begeisternder Politiker wirken, desto eher eigenen sie sich für solche Zuschreibungen – besonders wenn sie Frauen sind.

Was uns zu bedenken geben sollte, ist die Sichtweise – es gibt auch viele andere – dass immer mehr Menschen, wenn ihre Phantasie von heiler Welt gestört, zerstört erscheint, selbst zu Zerstörern werden. Ich denke, hier fehlt Dialog, was auch bedeutet, von Person zu Person Aufmerksamkeits- und Wertschätzungsenergie zu spenden und beizustehen, die Realität einerseits auszuhalten, andererseits mit prosozialen Mitteln zu verändern.

Hassreden

Die körperlichen Effekte des Sprechens überschreiten die Absichten des Sprechers, betont die amerikanische Philosophin und Philologin Judith Butler in ihrem Buch „Hass spricht“ (aus 1997!), und sie würden die Frage nach dem Sprechakt selbst als einer Verbindung von körperlichen und psychischen Kräften aufwerfen. Sie zitiert auch Pierre Bourdieu, wonach Normen den Habitus des Körpers stilisieren und kultivieren – den kulturellen Stil seiner Gestik und seines Verhaltens.

Jeder Dirigent kennt seine energetische Körpermacht, Kraft zu lenken (deswegen waren ja auch Frauen so lange vom Dirigat ausgeschlossen – sie könnten zu viel „Magie“ des stummen Führens mitbekommen) und die Wirkung von Schauspieler_innen (oder auch Lehrer_innen, Pfarrer_innen und Politiker_innen) hängt auch davon ab, ob sie „über die Rampe“ – oder über den Bildschirm –  „rüber kommen“. Wer das kann, löst Begeisterung, Gefolgschaft oder aber Angst und Abwehr aus.

Eine Form, diese Angst abzuwehren, besteht darin, selbst aggressiv zu reagieren. Das wird vor allem den traditionell „friedfertigen Frauen“ anempfohlen: Lass‘ dir nichts gefallen! Sag Nein! Setz‘ eine Grenze!

Was dabei vergessen wird, ist, dass manfrau damit in einen Kampf eintritt – denn echte und daher wohltrainierte Kämpfer genießen Sparringssituationen. Sie sind sie gewohnt und ihres Sieges sicher. „Das Lachen der Täter“ nannte Klaus Theweleit sein Buch über Breivik u. a. – und sie lachen auch wirklich.

Das Fatale besteht nämlich darin, dass man mithilft, ein Klima des Hasses zu verstärken.

Das steht im Gegensatz zu der vielfachen sozialtherapeutischen Erfahrung, dass homoöpathische Heilversuche scheitern – allopathische aber nützen. Man muss Rohheit mit „Kultiviertheit in Stärke“ begegnen, und Hass mit Interesse für dessen Wurzeln.

Deswegen widerspreche ich Hans Rauscher, der heute im Standard über die von ihm „diagnostizierte“ Hasskrankheit schreibt: „… dass es dringend einer Gegenstrategie bedarf …“ – soweit stimme ich noch zu. „Diese muss einerseits vom Staat, vor allem von der Justiz kommen.“ Nicht nur, meine ich – es gibt noch andere „ staatliche Gewalten“! Und dann schreibt er: „Zugleich muss die Zivivilgesellschaft, die es ja gibt, ihre Kräfte bündeln, direkt in den sozialen Medien kontern und den Freaks nicht mehr die Hegemonie lassen.“ Das ist Kampfsprache – und so schafft man nicht Respekt und Frieden, und außerdem ist es eine Beschimpfung der Unbekannten, die ihren Unmut in unzivilisierter Form „erbrechen“.

Wenn ich gelegentlich auch online angepöbelt werde, pflege ich meinen aufsteigenden Kampfgeist zu zügeln und versuche, die Grobheiten zu filtern und in eine sozial erträgliche Form zu dolmetschen und auf diese antworte ich dann. Ich habe noch immer erstaunte und höfliche Reaktionen zurück bekommen.

Für mich ist das Friedfertigkeit – eine Fertigkeit, die man erlernen kann.

„Ketzer“

Es gibt Phänomene, die hält man in Zeiten der political correctness für längst  verschwunden, „No go“ sozusagen.

Dazu gehören verächtliche Bezeichnungen für Menschen, die den von den dominanten Gesellschaftsschichten missachteten Minderheiten zugehörten – schwarze Sklaven in Amerika, nichtsesshafte Roma und Sinti in Europa. Dazu zählen aber auch gleichgeschlechtlich orientierte Menschen; die wehrten sich in der gay-pride-Bewegung gegen diskriminierende Bezeichnungen dadurch, dass sie diese einfach mit umgekehrt selbstbewusster Betonung verwendeten: „Ich bin schwul und das ist gut so!“ Ebenso suchten Menschen mit Handicaps nach neuen Worten; ich erinnere mich noch, wie der Diplomsozialarbeiter Manfred Srb – in den 1980er Jahren mein Kollege im Verein Jugendzentren der Stadt Wien und später Nationalratsabgeordneter der Grünen – hinten auf seinem Rollstuhl ein Transparent „Ich bin behindert“ angebracht hatte, wobei „bin“ durchgestrichen und durch „werde“ überschrieben worden war.

Ich meine: Es sind nicht nur die Betroffenen selbst, die sich gegen Abwertungen wehren müssen – wir alle, die wir Zeug_innen solcher verbaler Gewalt werden, sind aufgerufen, Beistand zu leisten bzw. aufzuklären, dass es beispielsweise korrekter ist, von Asylwerbenden zu sprechen statt von Asylanten oder Haftinsassen statt Häftlingen oder dass Emanze ein Schimpfwort ist – für Frauen, die ihr Leben selbst bestimmen wollen.

In der österreichischen Bundesverfassung wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass alle Bundesbürger (!) vor dem Gesetz gleich sind und Vorrechte der Geburt, des Geschlechtes, des Standes, der Klasse und des Bekenntnisses ausgeschlossen sowie behinderte und nichtbehinderte Menschen gleichgestellt sind. Vor dem Gesetz (begründete Ausnahmen sind zulässig) – aber nicht im Denken und Reden. Da zeigen sich die alten Parolen, mit denen unliebsame Störenfriede – dazu gehören all die, die gleichen Respekt einfordern und sich nicht mit bloßer Duldung ihrer Existenz begnügen wollen – eingeschüchtert werden sollen.

In meiner Schulzeit in den 1950er Jahren am „humanistischen“ Gymnasium in Wr. Neustadt gab es einen einzigen evangelischen Christen in unserer Klasse. Er wurde immer wieder als Ketzer „geneckt“. Lustig war das nicht. Möglicherweise motivierte ihn das, später selbst AHS-Professor und Direktor zu werden. Bei mir selbst trauten sich die Professoren derartigen Spott nicht, obwohl ich immer vom Religionsunterricht abgemeldet war, vermutlich weil ich als einziges Mädchen in der „Bubenschule“ (Koedukation gab es damals noch nicht!) ohnedies die totale Herausforderung für ihre Toleranz bedeutete.

O tempora o mores?

Mitnichten. Beim Europa Forum Wachau am vergangenen Wochenende wurde ich – 71jährige und neuerdings evangelische Hochschulpfarrerin – von einem vermutlich 10 Jahre jüngeren hochrangigen Juristen der Wirtschaftskammer Österreich – vermutlich „scherzhaft“ gemeint – als Ketzerin angesprochen. Ich war über diese Beleidigung so verblüfft das ich nur ein „Nicht mehr!“ herausbrachte: Es sollte nicht mehr nötig sein, Menschen anderen Glaubens „neckisch“ zu diskriminieren – noch dazu bei einem Symposium, wo es um „Einigungen“ ging.