Gewaltprävention ohne Illusionen

Wer die Medienberichterstattung der letzten Tage verfolgt hat, wird vermutlich kaum bemängelt haben, dass nur oppositionelle Kritik (auch von den sogenannten Experten, die in der Task Force Strafrecht des BMI mitgearbeitet und dort Gelegenheit genug dazu gehabt haben) veröffentlicht wurde – aber keine Alternativen oder zumindest Erklärungen der konkreten Ziele dieser Verschärfungen. Stattdessen wurde Generalprävention (Abschreckung potenzieller Täter) und Spezialprävention („Besserung“ bereits manifester Täter) angeführt und dass es dazu keine Strafverschärfungen brauche.

Der Ansicht bin ich nicht: Wie ich schon mehrfach betont habe, gibt das Strafrecht nicht allein Anleitung für Urteilsfindungen, sondern macht deutlich, was wir, die Gesellschaft wollen bzw. nicht wollen UND was wir für leichte oder schwere Straftaten halten. Mit der Behauptung – vor allem von Personen, die nicht der gegenwärtigen „Ozean-Regierung“ (türkis-blau!) zuzurechnen sind sondern der Opposition – es brauche keine strengeren Strafen, werden sexualisierte Gewalttaten – das sind (laut dem Profiler Thomas Müller) solche, die mit oder an Genitalien verübt werden – in ihrer Schwere verharmlost.

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„Beziehungsmorde“

Es gibt allseits gegenwärtige Schlagworte, die eigentlich die Realität verzerren. Dazu zähle ich Worte wie „Beziehungstaten“ – denn jede Interaktion zwischen Lebewesen beruht auf einer Beziehung, egal ob es sich um einen Blick handelt, einen Wortwechsel oder einen Angriff (letzteres fürs Erste wortwörtlich noch neutral gemeint). Selbst ein Diebstahl beruht auf einer Beziehung – der Dieb „bezieht“ sich auf sein Objekt und damit auch auf dessen Eigentümer oder Besitzer. Ohne Bezug – ohne Einschätzung, Planung (und sei sie noch so minimal bzw. routinemäßig), Durchführung samt mehr oder weniger Wachsamkeit und Kontrolle – geschieht nichts.

Was sei denn die „Ursache“ für „Beziehungsmorde“ wie den heutigen in Wien Meidling (https://wien.orf.at/news/stories/2964300/), fragte mich zu Mittag eine Journalistin und gab sich gleich selbst die Antwort: patriarchale Kulturen?, und meinte damit den bosnischen Täter … denn zu dieser Zeit wurde vermutet, dass die attackierte Serbin tot wäre, dabei war es aber er selbst. („Eifersucht“ ist auch so ein vielzitiertes Schlagwort – aber das bearbeite ich erst demnächst.)

Das Patriarchat sei nicht von vornherein als frauenfeindlich einzustufen, korrigierte ich die Suche nach dem „Schuldigen hinter dem Schuldigen“, denn Machtstrukturen wären nicht gleichzusetzen mit Machtmissbrauch.

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Strafverschärfungen bei sexueller Gewalt

Staatssekretärin Edtstadler hat die Ergebnisse der von ihr geleiteten „Task Force“ Strafrechtsreform veröffentlicht und wird sofort von all denen heftig kritisiert, die jahrelang Zeit gehabt hätten, ihre Verbesserungsvorschläge einzubringen – vor allem auch in Hinblick darauf, dass sie ihre Institutionen (Frauenhäuser, Universitäten, Berufsverbände etc.) vertreten, daher nicht darauf angewiesen sind, ihr Wissen zu „verkaufen“, wie etwa die PsychotherapeutInnen an der Basis, für die jede Teilnahme an einer „Expertenrunde“ Verdienstentgang bedeutet – und die außerdem ignoriert werden, weil sie mangels institutioneller Einbindung nicht ausreichend kontrollierbar erscheinen.

Nun ist jeder einzelne Aspekt wichtig und diskussionswürdig: Komplexe Phänomene – und um die handelt es sich bei sexueller Gewalt – brauchen die Sichtweisen unterschiedlichster Berufe (und es gibt kaum jemand, der/die wie ich alle relevanten Berufe erlernt hat und jahrelang und auch aktuell ausübt, denn die sozialen Sichtweisen ändern sich ja auch und können in ihrer Genese verdeutlicht werden). Will man also RepräsentantInnen der Sozialarbeit, Rechtswissenschaft, Psychiatrie / Psychologie/ Psychotherapie, Pädagogik, Soziologie, Medien- wie auch Kommunikationswissenschaft an einem Tisch versammeln, müssen wie in der Mediation zuerst „Spielregeln“ des Zuhörens und einander Respektierens vereinbart werden – denn erfahrungsgemäß werden diese Fähigkeiten zwar behauptet aber nicht gelebt.

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„Kalte“ Aggression

Was nun mit der angesprochenen „kalten“ Aggression los ist, wurde ich, kaum dass mein „Brief“ Nr. 9 online war, per mail gefragt.

Mit „kalt“ meine ich den erkennbaren körperlich-seelisch-geistigen Zustand der agierenden Person: Langsam atmend, mit „eiskaltem“ fokussierten Blick entschieden, d. h. ohne Schwanken oder Zweifel, ruhig, überlegt und präzise handelnd einen Schadensplan in die Tat umsetzend.

Kalte Aggression ist ein Endpunkt tage- oft jahrelanger Vorbereitung. Professionelle Jäger beobachten üblicherweise ihre Jagdbeute bzw. beauftragen Späher. Diese Verhaltensweisen finden wir auch bei Stalkern, die entweder aus Rache verfolgen oder sich in Wahngedanken verloren haben. Dies ist nicht gleichzusetzen mit verzweifelten Menschen, die darum ringen, respektiert zu werden und nicht über die sprachliche Eleganz verfügen, ihren Leidenszustand adäquat auszudrücken. Wenn diese aggressiv werden, zeigt das nur, dass sie in ihrem seelischen Tief an dem Kipp-Punkt angelangt sind, an dem die lange unterdrückte – und in wohldosierter zivilisierter Form eigentlich gesunde – Aggression hervorbricht. Deswegen ist es ja so wichtig, dass wenigstens ein achtsamer Mensch merkt, dass es jemand schlecht geht und die Parzival-Frage stellt: „Was ist denn los mit dir? Kann ich dir was für dich tun?“

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Selbstgerechtigkeit?

Es gibt wenige Menschen, die nicht der Meinung sind, „ihnen könnte so was nie passieren“ – beispielsweise zum Mörder, zur Mörderin zu werden.

Vor Gericht heißt das dann „Ich kann mir nicht erklären, wieso mir das passiert ist …“.

Diese passive Sprachform zeigt dann, dass das eigene Verhalten als „Ich-fremd“ erlebt wird.

Im Mittelalter war man der Meinung, ein Dämon wäre in einen eingefahren oder man wäre verhext worden – und meist richtete sich gleich ein Verdacht auf irgend einen Sündenbock bzw. eine Sündenziege, irgendjemand, für den oder die man ohnedies insgeheim feindliche Gefühle hegte, die man aber von sich weg auf diese Person verschob. Manchmal tauchen dann aber doch Schuldgefühle auf. Wir Angehörige seelsorgerischer Berufe kennen das – und wir wissen, wie wichtig es ist, denjenigen, die dazu bereit sind, die Qual der Reue auf sich zu nehmen, beizustehen – und wie anstrengend.

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„Psychische Probleme“

Zehn Tote und dreißig Verletzte bei einem Brand in einem achtstöckigen Wohnhaus in Paris, lese ich auf https://orf.at/stories/3110371/ , und, die Polizei gehe von einem kriminellen Hintergrund aus, und: Eine Frau sei festgenommen worden. Und: Diese solle laut einem französischen TV-Sender an psychischen Problemen gelitten haben.

Menschen neigen dazu, für alles möglichst schnell die dazu gehörige  Ursache zu erfahren – das hilft der Angstabwehr. Dann weiß man, wer schuld ist, wer bestraft werden muss oder von wem man Schadenersatz verlangen kann, und oft geht auch die Phantasie mit einem durch. So titelt orf.online auch gleich „Feuer gelegt?“ – und formt mit der Überschrift bereits die seelisch-geistige Verbrecherjagd bei all denjenigen, die nicht sprachkritisch mitdenken und liefert auch gleich eine Verdächtige samt Motiv: psychische Probleme.

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Der Karl Valentin Preis und Gabalier …

Sabine Rinberger, die Direktorin des Karl Valentin Musäums (sic!), ist ebenso empört über die Verleihung des Karl-Valentin-Ordens an Andreas Gabalier wie Erben-Vertreter Gunter Fette, „Nachlassverwalter der Münchner Komikerfamilie“ (wörtlich Ronald Pohl auf https://derstandard.at/2000097281051/Karl-Valentin-Orden-fuer-Andreas-Gabalier-Ein-schlechter-Witz) – ich hätte halt formuliert „Familie des Komikers“ – aber vielleicht war es Absicht? (Und war Valentin Komiker? Was für eine unzulängliche Namensgebung! Ich sehe ihn jedenfalls nicht so – für mich ist er viel mehr, wenn ich aktuell in meiner Bibliothek die „Valentiniaden“, Hugendubel Verlag 1940, oder „Die Raubritter von München. Szenen und Dialoge“, dtv 1963, nachlese. Kurt Tucholsky nannte ihn „Linksdenker“.)

Erinnern wir uns: Mit dem kommunikationswissenschaftlichen Axiom „Der Empfänger definiert die Botschaft“ (siehe mein „Brief“ Nr. 91 / nachzulesen auf  www.haltgewalt.at)  hatte der damals noch designierte Tiroler SPÖ-Vorsitzende Georg Dornauer versucht, die Verantwortung für seine sexistischen Sager an sein Publikum abzuschieben – allerdings war seine Aussage eindeutig. Bei Andreas Gabalier bin ich mir da nicht so sicher … immerhin gehört er (zumindest für mich) zu den Künstlern, die in Maskerade auftreten.

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Geheime Botschaften

Wertschätzung kann man räumlich ausdrücken – beispielweise dadurch, dass man jemand eine Sitzgelegenheit anbietet, aus dem er, besonders aber sie, nur schwer herauskommt. Oder indem man ihr im Restaurant ein „Katzentischerl“ im hintersten Eck „zuweist“ (wie es mir einmal in Innsbruck im Hotel – der Name sei wohlwollenderweise verschwiegen, obwohl es dort auch bei der Abrechnung ein eklatantes „Missverständnis“ gab, es wurde nämlich bei der Abreise verrechnet, was von meinem Auftraggeber bereits bezahlt war), vermutlich, weil ich, wie immer, weder Protz-Gewand noch Schmuck trug. Auch bei offiziellen Anlässen zeigt die Sitzordnung, wen man – abgesehen von protokollarischen Vorgaben – für wie wichtig oder wertvoll hält.

Wertschätzung beweist man umgekehrt schon allein mit Anwesenheit (und wohin Nicht-eingeladen-worden-sein führen kann, zeigt das Märchen vom „Dornröschen“).

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Schulungsbedarf

„Mangels Schuldbeweises“ wurde ein Türke vom Vorwurf des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person“ (so die Anklage) freigesprochen, ist in den heutigen Salzburger Nachrichten „Aus Stadt und Land“, Seite 5, zu lesen: Er hatte sich mit der Behauptung verteidigt, die Frau seines Arbeitskollegen, in dessen Wohnung nach einer Betriebsfeier weitergefeiert worden und der kurz Zigaretten holen gegangen war, und die unter dem Einfluss von Cannabis und Ecstasy stand, sei „total hemmungslos gewesen“ und habe Sex gewollt.

Manchmal frage ich mich, wie die Richterschaft – eine Berufsrichterin und zwei Schöffen – urteilen würde, wenn solche sexuellen Miss-Handlungen ihre Töchter betreffen würden? Würden sie dann auch ignorieren, dass jemand, der / die unter Drogen steht, nicht bei vollem Bewusstsein und entscheidungsfähig ist? Und wenn, wie in diesem Fall s. Zeitungsbericht, auch genitale Verletzungen vorlagen?

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Realitätsverleugnung?

Wiens Bürgermeister Michael Ludwig schlägt ein totales Waffenverbot vor — nicht nur auf bestimmten Plätzen sondern in der gesamten Bundeshauptstadt (https://www.orf.at/news/stories/2958598/) . Klingt auf den ersten Blick populär, auf dem zweiten populistisch und auf dem dritten unrealistisch.

Die einzige Waffe, die man nicht verbieten kann, ist das Gehirn: Seine Kreativität findet und erfindet ununterbrochen neue Mordwerkzeuge – vom Seidenschal bis zum Auto, von der Feile (Kaiserin Sisi!) bis zu den Händen („Schubs“ in den Donaukanal) und bis zum Gift auf der Türschnalle. Und Sprenganleitungen kann man sich mittlerweile im Internet herunterladen.

Als er noch (christlich-konservativer) Europa-Abgeordneter war, erklärte Karl Habsburg, dass Waffenverbote logischerweise Enteignungen nach sich ziehen müssten (OTS vom 2. September 1998) und daher nur mehr Personen mit Verbrechensabsichten insgeheim Waffen besitzen würden. Ich stelle mir dazu vor, dass die Waffenindustrie immer raffiniertere und kleinere Waffen auf den (internationalen) Markt bringen würde. Ist ja ein Riesengeschäft – wie von der  Verhinderungs-Macht der US-Waffenlobby bekannt sein sollte.

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