Sexualität ist Macht …
So lautet der Titel des Buches von Angela Carter (1940–1952) über die Frauengestalten bei de Sade – der „braven“ Justine, dem ewigen Vergewaltigungsopfer, und der „skrupellosen“ Juliette, für die Lust nur ist, wenn sie (wie bei Männern) das eigene Selbst stärkt: „Wenn dem Partner seine Lust gewaltsam vorenthalten wird, steigert sich die Lust am eigenen Selbst im direkten Verhältnis zur sichtbaren Unlust des Opfers.“ (S. 179)
Und wieder verteidigten sich drei der Vergewaltigung einundderselben Frau angeklagten Twens mit deren Freiwilligkeit, ihrem Mitgehen in die Wohnung und einem nachmaligen Kontaktversuch (Salzburger Nachrichten, 15.07.2021, Lokalbeilage, S. 5). Sie wurden – nicht rechtskräftig – freigesprochen. (Prozess in Salzburg – Drei Freisprüche nach Vergewaltigungsvorwurf | krone.at.)
Ich kenne dieses „nachher“ noch einmal Kontakt suchen von vielen meiner vergewaltigten Klientinnen – und ich kenne deren Verwirrung, weshalb sie das getan hätten, sie verstünden sich selbst nicht. Wenn man dann allerdings Kontakt zu den seelischen Tiefenschichten gewinnt, zeigt sich in diesem Verhalten der Versuch, Eigenmacht zurückzuholen – gleichsam die Gewalttat unbewusst durch eine eigene Willensentscheidung zu kompensieren. Psychologisch kann das für die Rückgewinnung der psychischen Balance erfolgreich sein – juristisch ist es eine Katastrophe, denn RichterInnen sind selten mit den Dynamiken des Unbewussten vertraut. Oft fangen sie mit diesem Begriff nichts an und lehnen ihn daher auch ab […]