Politische Phantasie
„Die Abwertung des Staates und der Politik haben direkte Konsequenzen für die politische Imagination.“, schreiben der Linzer Wirtschaftsprofessor Walter Ötsch und die streitbare Falter-Redakteurin Nina Horaczek in ihrem neuen Buch „Wir wollen unsere Zukunft zurück! Streitschrift für mehr Phantasie in der Politik“ (Westend Verlag, S. 61). Eine der Ursachen dafür ortet das Autorenduo im propagierten Bild einer „geteilten Welt“: „Auf der einen Seite steht der gute Markt, auf der anderen der böse Staat.“ (S. 60)
Haben wir doch genau jetzt – nur steht dem „bösen Staat“ eine angeblich gute Minderheit gegenüber, die sich als „das Volk“ wähnt – und das reale Volk schweigt. Dabei sind wir doch alle das Volk, das Staatsvolk nämlich, und daher auch der Staat. Wer Zeitgeschichte nicht miterlebt – und auch in der Schule nicht gelehrt bekommen hat – kennt vermutlich nicht die Geschichte des Jahres 1989 und die Entstehung des Slogans „Wir sind das Volk“ im Arbeitskreis Gerechtigkeit Leipzig (Wende und friedliche Revolution in der DDR – Wikipedia) – in einem Arbeitskreis, wohlgemerkt, was bedeutet: kein Gebrüll von anonymen Massen, sondern wohldurchdachter und mutig verantworteter Protest gegen das Terrorregime DDR […]