Rotraud A. Perner
09-12-2011

GENDER  &  GEWALT

am Beispiel Deuteronomium 22, 23 – 29

 

Dtn 22, 23:  Wenn ein unberührtes Mädchen mit einem Mann verlobt ist und ein anderer

Mann ihr in der Stadt begegnet und sich mit ihr hinlegt,

 

22,24    dann sollt ihr beide zum Tor dieser Stadt führen. Ihr sollt sie steinigen und sie

sollen sterben, das Mädchen, weil es in der Stadt nicht um Hilfe geschrieen

hat, und der Mann, weil er sich die Frau eines anderen gefügig gemacht hat,

Du  sollst das Böse aus deiner Mitte wegschaffen.

 

22,25    Wenn der Mann dem verlobten Mädchen aber auf freiem Felde begegnet,

sie fest hält und sich mit ihr hinlegt, dann soll nur der Mann sterben, der bei ihr

gelegen hat,

 

22,26    dem Mädchen aber sollst du nichts tun. Bei dem Mädchen handelt es sich nicht

um ein Verbrechen, auf das der Tod steht; denn dieser Fall ist so zu beurteilen,

wie wenn ein Mann einen anderen überfällt und ihn tötet.

 

22,27    Auf freiem Feld ist er ihr begegnet, das verlobte Mädchen mag um Hilfe

geschrieen haben, aber es ist kein Helfer da gewesen.

 

22,28    Wenn ein Mann einem unberührten Mädchen, das noch nicht verlobt ist, begegnet,

sie packt und sich mit ihr hinlegt und sie ertappt werden,

 

22,29    soll der Mann, der bei ihr gelegen hat, dem Vater des Mädchens fünfzig Silberschekel

                    Zahlen und sie soll seine Frau werden, weil er sie sich gefügig gemacht hat. Er darf sie

niemals entlassen.

 

Deliktdefinition:

– es ist in Dtn 22,23 – 28 nicht klar, was das schützenswerte „Gut“ ist – erst in 22, 29 kann die Tochter als eine Art Sachbesitz mit Verkaufswert gedeutet werden, der nicht gemindert werden soll

 

Subjekt- / Objektpositionen:

– der Mann ist Subjekt, das unberührte Mädchen (nicht Frau!) Handlungsobjekt

 

Soziale Strukturen:

– es wird unterschieden zwischen einem verlobten und einem nicht verlobten Mädchen – ein Hinweis,

wer als ihr „Eigentümer“ angesehen wird; in Dtn 22,26 und 29 Hinweise auf deliktische Beziehungen zwischen Männern

 

Empathielenkung:

– es wird vorgegeben, wie sich das Mädchen zu verhalten hat unabhängig von ihrer realen Situation,

damit wird das sich „nicht korrekt“ verhaltende Mädchen schuldig gesprochen und des Mitgefühls entledigt.

– Erleben und Folgen der als „Hinlegen“ verkürzten und beschönigten Gewalttat bleiben außer Acht.

– Andere Abwehrformen als Schreien werden nicht angedacht – scheinen daher nicht zulässig zu sein

– Es scheint im Denken verankert, dass ein „Helfer“ (männlich?) da sein bzw. realistisch herbeigerufen werden muss

– Die Verantwortung für die Abwehr der Gewalttat verbleibt bei der Frau.

 

Wiedergutmachung durch „Kaufehe“:

– durch Ankauf der „beschädigten Ware“ Frau kann der wirtschaftliche Verlust des Vaters saniert

Werden

 

Didaktischer Vorschlag: Simulation eines Strafprozesses zwecks polarer Einbringung alternativer Perspektiven.