Dummheit

In meiner Facebook-Blase taucht immer wieder ein Foto und Spruch der oberösterreichischen Gerichtspsychiaterin und Autorin des giftgrünen Büchleins „Dummheit“ (Verlag Kremayr & Scheriau, 2021) Heidi Kastner auf, der sinngemäß lautet, heute würden sich dumme Leute ihrer Dummheit nicht mehr schämen.

Wie könnten sie auch – wenn sie ihre von Kastner diagnostizierte Dummheit gar nicht wahrnehmen … denn würden sie das, wären sie ja nicht mehr dumm.

In ihrer Tätigkeit als Gerichtssachverständige wäre sie immer wieder mit leicht intelligenzgeminderten Menschen konfrontiert gewesen, schreibt Kastner – aber es sei meist Gier, Wichtigtuerei oder die Unwilligkeit, Grenzen zu akzeptieren, die sie vor Gericht gebracht hätten, und so teilt sie diese Personen auch in „Lernverweigerer“ und „Denkfaule“ ein, erweitert mit „Querulanten“, „Faktenverweigerern“, „Ignoranten“, „Verschwörungstheoretikern“, und widmet sich schließlich denen, denen aus ihrer Sicht „emotionale Empathie“ fehlt. Aber gibt es denn auch eine andere als emotionale? Aus psychotherapeutischer Sicht bedeutet Empathie 100%ige Einfühlung – also viel mehr als nur Mitgefühl; sich in jemand anderen „hineindenken“ oder ihn bzw. sie verstehen zu können, ist daher keine Empathie (weil dies heute ja ein Modewort geworden ist). Darüber bei Carl R. Rogers (1902–1987), der als erster Empathie als Heilfaktor erkannt hat (und den ich noch als Ausbildner erleben durfte), nachzulesen, ersetzt nicht die Bereitschaft und Erfahrung, sich von Gefühlen anderer zutiefst betreffen zu lassen – besonders, wenn man an die Grenze der Unerträglichkeit kommt (wie z. B. der Machtlust von Sexualstraftätern). Deswegen hat Rogers auch immer davor gewarnt, zu werten bzw. zu bewerten – und deswegen habe ich publizistisch davor gewarnt, als Psychotherapeuten zu „begutachten“ (weil unsere Beziehungsformen wie auch Sprache vermutlich therapeutisch wirkt und daher die Gesprächspartner:innen verändert – und das ist nicht der Sinn einer Begutachtung „im Nachhinein“) […]

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