Verschwiegenheitspflicht

Es gibt verschiedene Verschwiegenheitspflichten – und alle fordern die persönliche Ethik der damit Belasteten heraus: Zu wem soll man halten – zu den Klienten oder zur Gesellschaft? Zum Chef oder zu denjenigen, die durch ihn geschädigt werden (könnten)? (Dabei denke ich an Julian Assange oder Edward Snowden.) Zu den Nahestehenden, für die auch das Zeugnisentschlagungsrecht vor Gericht gilt oder zu den Gesetzen (wie unzulänglich oder veraltet die auch immer sein mögen)?

In der sogenannten „konventionellen“ Ethik folgt man einfach der Vorschrift – in der „postkonventionalen“ Ethik hingegen dem eigenen Gewissen, aber: Gewissen erfordert auch Gewissensprüfung, daher Seelenruhe und Kritik der eigenen Motive, vor allem aber auch Impulse.

Psychotherapeut*innen wie auch christliche Pfarrer*innen (von den „religiösen Experten“ – so der wissenschaftlich korrekte Sammelbegriff – anderer Konfessionen weiß ich es nicht so genau) sind durch Verschwiegenheitspflichten davor geschützt, zur Preisgabe von Geheimnissen ihrer Klient*innen gezwungen zu werden. Es würde Vertrauen zerstören – und die Möglichkeit, das  Verantwortungsgefühl der Person zu stärken. Auch unbedachte Äußerungen im Erregungszustand zählen zu dem, was geheim bleiben soll – denn wenn das Gespräch erfolgreich geführt wurde, ist die Person nachher nicht mehr die, die sie vorher war, sondern ein besserer Mensch (und die Helferperson hoffentlich auch, nämlich verständnisvoller) […]

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Aufruf zum Telefonterror?

Donald Trump junior, so heute im Kurier zu lesen, habe Anhänger seines Vaters aufgerufen, 31 demokratische Angehörige mit Anrufen und Tweets zu bombardieren und habe dazu auf Twitter deren Kontaktdaten veröffentlicht, weil diese seinem Vater einst Unterstützung zugesagt aber dies nicht eingehalten hätten. (Kurier, 15.12., Seite 9:  „Trumps Sohn ruft zu ,Telefonterror‘ auf“.)

Mich erinnert dies daran, wie ich in der Zeit als ich Bezirksrätin der SPÖ in Wien Favoriten war und nächst dem Südtiroler Platz wohnte, von empörten Anrainern aus dem Nachbarbezirk Margareten mit wütenden Anrufen belästigt wurde, weil dort in der Gassergasse gerade das erste autonome alternative Kulturzentrum GaGa den Betrieb aufgenommen hatte. Die Entscheidung lag bei der Stadtverwaltung (Bürgermeister Leopold Gratz und Kulturstadträtin und Vizebürgermeisterin Gertrude Fröhlich-Sandner), subsidiär auch der Bezirksvertretung dieses – des 5. Wiener Gemeindebezirks – und nicht bei uns im 10. Bezirk. Aber mich kannte man halt als Sympathisantin sowohl von Autonomie in der Verwaltung, Alternativen in Problemlösungen und innovativen Kulturaktivitäten (sofern sie das Strafgesetz nicht verletzten), daher war ich eine geeignete „Sündenziege“ (= Sündenbock gegendert 🙂 ) […]

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Chuzpe

Laut Wikipedia ist Chuzpe eine „Mischung aus zielgerichteter, intelligenter Unverschämtheit, charmanter Penetranz und unwiderstehlicher Dreistigkeit“ und stamme von dem hebräischen Wort mit den Bedeutungen „Frechheit, Anmaßung, Dreistigkeit, Unverschämtheit“. Meine Eltern – beide im 2. Wiener Gemeindebezirk, der sogenannten „Mazzes-Insel“, aufgewachsen, der so hieß weil hier vor dem Zweiten Weltkrieg der Großteil der jüdischen Bevölkerung lebte – außer man gehörte zu den Megareichen, dann residierte man in Ringstraßenpalais oder hochherrschaftlichen Villen in Hietzing und Döbling. Meine Mutter wohnte im „besseren“ Teil, in der Glockengasse, im Haushalt eines Baron von Ziffer-Teschenbruck, mein Vater hingegen im „minderen“ Teil am heutigen Max-Winter-Platz. Er war ihr Englisch-Nachhilfelehrer. Und er beherrschte bis zu seinem Lebensende 27 Sprachen – Deutsch war für den gebürtigen Tschechen die erste Fremdsprache, aber Hebräisch und Jiddisch waren auch dabei. (Während meines Theologiestudiums hätte ich ihn dringend gebraucht – die Prüfung in Bibelhebräisch habe ich erst beim zweiten Mal geschafft.)

Mit dem Begriff Chuzpe bin ich daher von klein auf vertraut. Chuzpe ist, wenn beispielsweise […]

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Beziehungstaten

Es wäre eine „Beziehungstat“ gewesen, sprach der Verteidiger des Mannes, der seine Lebensgefährtin mit sechs Messerstichen getötet hatte. (Salzburger Nachrichten, 14.12.2019, Seite 10.)

Vor vier Tagen war ich Teilnehmerin an einem „Runden Tisch“ (für die NÖ Bezirksblätter in gekürzter Fassung ab kommender Woche, und dann auch in originaler Langfassung online auf www.meinbezirk.at/3816210) mit der Niederösterreichischen Frauenlandesrätin Mag.a Christiane Teschl-Hofmeister und Brigadier Omar Haijawi-Pirchner, dem Leiter des NÖ Landeskriminalamts.

Dabei fiel auch der Begriff „Beziehungstat“ und ich sagte, Morde wären immer Beziehungstaten, denn zumindest im Augenblick jeder Tat bestünde ja eine Beziehung. Ich meine damit, dass sich die Aufmerksamkeit und Energie des Tatsubjekts auf das ausgewählte Objekt „bezieht“, auch wenn dies so spontan erfolgt wie etwa bei den zwei Morden bzw. vier Mordversuchen der sogenannten „Bestie von Sierning“ (der Name des 1993 Verstorbenen sei dem Vergessen anheim gestellt), der in den 1950er Jahren auf dem Fahrrad unbekannte Frauen überholte, mit einem Hammer niederschlug, vergewaltigte und tötete – „aus Hass auf alle Frauen“. Wie bei allen späteren Verbrechern wartete auch er auf eine (oder mehr) passende Gelegenheiten um seine Phantasiegebilde in die Tat umzusetzen […]

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Zitterwut

Und wieder liegt ein Baby im Koma, weil es geschüttelt wurde.

Als meine Söhne Babys waren und ich damals alles zu Kinderpflege und -erziehung verfügbare las, tauchte der Begriff „Schütteltrauma“ weder in Büchern noch in Zeitungsartikeln auf – im deutschsprachigen Raum. Dabei war das Erscheinungsbild bereits damals – in den frühen 1970er Jahren – von einem Neurochirurgen beschrieben worden. Aber erst etwa zwanzig Jahre später ist es durch die generell einsetzbare Computertomographie rasch nachweisbar geworden. Doch was hilft es durch unaufhörlich schreiende Babys überforderten Eltern, wenn sie weder über die Gefahren des Schüttelns informiert wurden – etwa persönlich beim ersten Kontakt mit Säuglingskrankenschwestern, in Elternschulen oder bei den Pflichtkontrollen bei Kinderärzt*innen – noch über die Methoden, wie man Kleinkinder (und Menschen überhaupt, sich selbst eingeschlossen) beruhigt.

Es liegt wohl daran, welche Erfahrungen man selbst als Kind wie als Beobachtende gemacht hat, wie man in solchen Stresssituationen handeln sollte. Ich beispielsweise habe meine Babysöhne fast permanent in den Armen bzw. im Tragetuch herumgetragen, auch wenn sie nicht weinten, und dabei viel Kritik von meiner gestrengen Mutter zu hören bekommen, ich würde die Buben zu sehr „verwöhnen“. Vermutlich lag dieses mein spontanes Verhalten darin begründet, dass ich immer (also lange vor meinen beruflich erforderlichen Eigentherapien) sehr bewusst große Sehnsucht danach hatte, in den Armen gehalten zu werden wenn ich unglücklich war – aber von nur ihr, nicht von irgendwem […]

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Big Brother am Krankenbett

Gut, dass Gewerkschaft und Ärztekammer auf die in einem „Forderungspapier der Wirtschaft“ angeregten Gesundheits-Überprüfungsrechte der Arbeitgeber (https://orf.at/stories/3147246/) sofort Bedenken geäußert haben. Denn wenn auch der dazu als Begründung angeführte Verdacht, es würde jemand „krank feiern“, gelegentlich zutreffen mag, so drängt sich doch die Erinnerung an die sogenannten „asozialen Frauen“ auf, die in der NS-Zeit vielfach im KZ gelandet sind, weil sie z. B. an einem heißen Sommertag lieber an die Alte Donau gegangen waren als „in die Arbeit“ (nachzulesen im Beitrag der Historikerin und Psychotherapeutin Gertrud Baumgartner in meinem Buch „Menschenjagd — Vom Recht auf Strafverfolgung“).

In der zitierten Meldung werden Arbeitsunfälle, Berufskrankheiten und sonstige Berufsunfähigkeit angeführt. Nun gibt es aber auch  Gesundheitsbeschädigungen, die durch Umstände am Arbeitsplatz hervorgerufen werden, und da meine ich nicht nur das neuerdings international als Krankheit anerkannte Burn-out durch Überforderungen (oder Bore-out durch Unterforderung) oder gezieltes Mobbing um – zwar korrekt agierende aber subjektiv störende – Arbeitskräfte (egal welcher Hierarchiestufe) los zu werden. Ich meine die Gesundheitsschäden, die durch toxische Interaktionen wie vom Arbeitgeber initiierte „Vorladungen zum Psychiater“ hervorgerufen werden […]

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Charakterszenen

Zur Geisteshaltung des steirischen Vize-Landespolizeidirektors – sein Name sei der damnatio memoriae übergeben – ist nichts weiter zu sagen, das den Medien zugespielte Tonbandprotokoll spricht für sich. („Vizepolizeichef nach Drohung versetzt“, Kurier, 28.11.2019, S. 25)

Dazu aber ein Zitat des hoch angesehenen deutschen Psychiaters, Psychoanalytikers und Sozialphilosophen Horst-Eberhard Richter (1923–2011) aus seinem Bestseller „Lernziel Solidarität“, erschienen 1974, betreffend Machtkämpfe auf dem Rücken Untergeordneter (nämlich von Kollegen gleicher Hierarchiestufe, mit denen konkurriert wird):

„Und es ist nicht zu verkennen, dass solche ressentimenthaften Rivalitäten nicht nur unter zweitrangigen und unbedeutenden Köpfen vorkommen, sondern gar nicht selten auch zwischen sehr bekannten und erfolgreichen Persönlichkeiten. Man sollte meinen, dass besonderer Erfolg gegen ein Überwuchern von Ressentiments schützen müsse. Aber wenn Eitelkeit und Machthunger überdimensionale Proportionen annehmen, wird auch das Gerangel um Spitzenpositionen unter Umständen noch aufgeladen mit der Gefahr maximaler Kränkungen und entsprechend vehementer Rachewünsche. Keiner der hochgestellten Rivalen vermag es in solchen Fällen zu ertragen, dass auf den eigenen gottähnlichen Glanz vom Gegner her noch ein minimaler Schatten fällt. In solchen Fällen ist es also nicht etwa das objektive Quantum erlittener Zurücksetzungen, das die ,seelische Selbstvergiftung‘ bewirkt, sondern das megalomane Übermaß an Ansprüchlichkeit. Da gibt es die großen Auserwählten, die sich innerlich mit dem Nimbus ihrer Spitzenpositionen identifizieren und am Ende selbst die kleinste Zurücksetzung als unerträgliche Katastrophe phantasieren müssen.“ (S. 132, Hervorhebungen von mir.) […]

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„Umarmer“

Er sei eben ein Umarmer, verteidigte sich Dirigent und Festspielleiter Gustav Kuhn laut profil 47/19, Seite 64, aber kein „fester“. Offensichtlich bewertet er Übergriffe quantitativ, also nach Krafteinsatz – nicht qualitativ, nach der Qualität der Beziehung, ob diese beruflich oder privat und in diesem Fall hinreichend intim ist.

Dazu sollte man wissen: Intimität bedeutet große seelische Nähe, und diese entwickelt sich in gegenseitigem Respekt und Vertrauen und – in Phasen, wie ich in meinem Buch „Ungeduld des Leibes“ dargestellt habe. Auf das Kennenlernen folgt die Phase der „Beziehung“ – oder auch nicht, dann bleibt es bei einer oberflächlichen Bekanntschaft unter vielen. Vertieft sich die Beziehung aber, wird sie intim, man öffnet sein Herz, berichtet Schmerzhaftes und Geheimes aus seiner Biographie, denkt und fühlt mit dem Anderen mit … so wie es zwischen nahen Anverwandten sein sollte, aber vielfach nicht ist, weil diese meist ihre Pläne und ihren Willen durchsetzen wollen, dafür aber unter „echten“ Freunden und Freundinnen entstehen kann. Eine körperliche Berührung oder sexuelle Vereinigung kann sich aus diesem Seeleneinklang ergeben – sollte es aber nur, wenn die Beziehung frei von Abhängigkeit, Druck, Nötigung oder Erpressung (dazu zählt auch Berechnung) ist. Andernfalls findet Gewalt statt – von der perfide konzipierten Manipulation bis zum radikalen Brechen von Widerstand. Der Abstufungen gibt es viele […]

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Die Angst des Lehrers vor der Benotung

Seit heute ist der App online, mit dem die Schülerschaft die Kompetenz ihrer Lehrerschaft bewerten kann – und die Widerstands-Wellen gehen hoch (Salzburger Nachrichten, 15.11.2019: „Die neue App … hat bereits im Vorfeld die Wellen hochgehenlassen.“), und die Lehrergewerkschaft drohe sogar, dagegen vor Gericht zu ziehen.

Nun ist die Lehrergewerkschaft bekanntlich eine sehr effiziente, die sich meist sehr erfolgreich gegen Arbeitsplatzgefährdungen ihrer Wählerschaft einsetzt – das ist ja auch die Aufgabe von Arbeitnehmervertretungen, und auch mehr oder weniger kompetente Berufstätige haben ein Recht, ihren eigenen Lebensunterhalt (und den der von ihnen Abhängigen) zu erarbeiten. (Ich verzichte bewusst auf die Formulierung „verdienen“, denn dies beinhaltet auch einen Doppelsinn, der die Angriffsfläche bietet, etwas als „unverdient“ abzuwerten.) Allerdings gehört Kompetenz auch vermittelt, überprüft und gefördert – beispielsweise durch individuell designte Fortbildungen, und die fehlen weitgehend, denn dazu braucht man interdisziplinäres Wissen und Können, und darüber verfügt kaum jemand. Feedback durch Schüler*innen – aber auch Eltern, denn auch die sind wichtige Feedbackgeber für Wertschätzung und soziale Gesprächskompetenz! – bildet daher einen konkreten Ansatz für Mitarbeitergespräche (für die auch Lernbedarf besteht!) wie auch individuelle und kollektive Bildungsangebote […]

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Schulzwang?

Menschen, die unangenehme Erfahrungen „überlebt“, aber nicht kritisch reflektiert und „ausgedrückt“ haben, neigen dazu, diese unbewusst an andere weiterzugeben. Die häufigste solcher „unangenehmen Erfahrungen“ ist das Erleben, zu etwas gezwungen zu werden: Das beginnt schon bei den Kleinsten mit dem Zwang zu essen – dabei ist Ekel oft der erste Hinweis für eine Nahrungsunverträglichkeit, gefolgt vom Zwang zum Still-Sein oder Still-Halten, Dulden unerwünschter Berührungen, Zwang zu bestimmten Tätigkeiten aber auch zum Ertragen unerträglicher Belastungen (wie lange andauernder Lärmbeschallung – Streit der Bezugspersonen mitinbegriffen – Kälte, Dunkelheit, Angstmache, Drohungen, körperliche „Züchtigungen“, Einsperren etc. – alles, was es so an Miss-Handlungen gibt).

Der US-amerikanische Kinder- und Jugendpsychiater Bruce D. Perry beschreibt in „Der Junge, der wie ein Hund gehalten wurde“, wie traumatisierte Kinder oft ihre ganze Aufmerksamkeit der Vorsicht zum Schutz vor neuerlichen Übergriffen widmen müssen und daher nicht fähig sind, sich dem Unterricht zuzuwenden. Ich bin immer wieder erschüttert, wenn ich in meiner psychotherapeutischen Arbeit mitfühle, was manchen erwachsenen Menschen in ihrer Kindheit angetan wurde. Manches davon entspricht etwa dem, was im Film „Shining“ die Grenze psychischer Toleranz überschreitet (dann nämlich, wenn der mordversessene Vater, gespielt von Jack Nicholson, aus dem Blickwinkel des Kindes gezeigt/gefilmt und so die Zuseherschaft zur Identifikation mit dem lebensbedrohten Buben genötigt wird) […]

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