Einträge von EstherVie

Richter spielen

Heftig medial beworben, ist gestern die erste Ausgabe der angekündigten Sendereihe „Im Namen des Volkes“ über die Bühne gegangen, und wie zu erwarten, hat sich wieder einmal gezeigt, dass kulturelle Toleranz keine Nationaleingeschaft der ÖsterreicherInnen darstellt (www.puls4com/Im-Namen-des-Volkes). Charles Darwin würde wohl von mangelnder „fitness“ (Anpassungsfähigkeit) und damit Voraussetzung für „survival“ (Überleben) in einer globalen Wirtschaftswelt gesprochen haben, in der Respekt vor dem Anderssein die Grundlage funktionierender Kooperation bildet. Ergänzung: Die Schwierigkeiten (z.B. Gewalttätigkeiten), die es derzeit im alltäglichen Zusammenleben mit Menschen anderer ethnischer Herkunft gibt, basieren leicht nachweisbar gerade auf verweigerter Wertschätzung […]

Kopftuch-Männer

Es ehrt Bundespräsident Van der Bellen, dass er den Mut besitzt, seine Aussage zur Zivilcourage nicht stur gegen die vermeintlichen Besserwisser zu verteidigen, sondern bedächtig zu relativieren – aber ein wenig enttäuscht bin ich schon, auch wenn mir vermutlich auch nichts Gescheiteres eingefallen wäre. Ich hätte vielleicht nicht auf den Dänenkönig Christian X. Bezug genommen sondern auf den Film „Spartacus“, wenn dort in der Schlussszene die Gefangenen in Solidarität nicht nur mit der Person mit Spartacus (gespielt von Kirk Douglas) sondern mit seinem Mut, sich gegen das Regime zu stellen, alle „bekennen“: „Ich bin Spartacus!“ (Die Parodie in Monty Pythons „Das Leben des Brian“ hätte ich hingegen nicht gewählt – dazu ist echte Solidarität, nämlich die gegenüber Verfolgten, viel zu ernst, finde ich.) […]

Positionierungen

Heute muss oft detailliert und ganz konkret erklärt werden, was man aussagen will, weil nicht nur sinnerfassendes Lesen sondern auch sinnerfassendes Zuhören immer seltener praktiziert wird. Keine Zeit – und manche Sinngebungen zeigen sich erst nach mehrmaligem Durchlesen. Das hat sich an der Aussage von Bundespräsident Alexander Van der Bellen erwiesen, als er vage in den Raum stellte, dass es noch so weit kommen könnte, dass man zu Solidaritätsaktionen aufrufen müsste um Diskriminierungen hintan zu halten […]

Meinungsfreiheit

Der 3. Mai ist der Internationale Tag der Pressefreiheit, und so kritisiert Rubina Möhring, Präsidentin von Reportern ohne Grenzen, in den Salzburger Nachrichten von heute, dass es in Österreich noch immer das „Machtspielzeug Amtsgeheimnis“ gibt. „Machtspielzeug für wen?“ frage ich – denn jede individuelle Freiheit endet dort, wo sie die individuelle oder kollektive Freiheit anderer beengt oder gar vernichtet.

Humor

Humor, das habe ich im Buch „Heilkraft Humor“ zu zeigen versucht, besteht nicht im Witze machen und auch nicht darin, sich alles gefallen zu lassen, sondern in einer bewussten und kreativen Art auf Ereignisse, die emotional bewegen, zu reagieren. Und ich habe auch versucht, die Unterschiede zwischen Albernheit, Ironie, Parodie, Satire, Witz etc. zu verdeutlichen.

Aber grundsätzlich liegt es daran, einen geistigen Rösselsprung zu vollziehen um nicht auf plumpe Aggressivität zurückzugreifen, wenn einem oder einer etwas nicht passt – vorausgesetzt es liegt eine Situation vor, in der man genug Zeit hat zu reden. Bei körperlichen Attacken ist das nicht der Fall.

Pizzabotendienst?

Bundeskanzler Mag. Christian Kern lässt sich mit Untertitel „Versteckte Kamera“ als Pizzabote im (vermutlich) Gemeindebau ablichten. Als ich das Video mit Absende-Adresse Georg Niedermühlbichler SPÖ zugespielt bekam, war ich sehr verwundert, ja sogar befremdet: Das ist nicht der Stil, den ich von einem seriösen Politiker erwarte, dachte ich (nicht einmal im Wahlkampf).

Wäre diese Aktion am Faschingsdienstag gelaufen, hätte ich gelacht und das als gelungenen Gag empfunden (auch wenn, wie nun aufgedeckt wurde, der Empfänger der Pizza ein SPÖ-Funktionär und Kandidat mit überraschend wohlaufgeräumter Wohnung ist).

Religionsunterricht?

Manchmal fühle ich mich an ein Pingpong-Spiel erinnert, wenn „Schlag auf Schlag“ Kopftuch – Kreuz – Bibel – Koran – Thora etc. gegeneinander aufgerechnet werden. Jetzt kommt wieder einmal eine aufgefrischte alte Diskussion dazu: Religionsunterricht gegen Ethikunterricht, Verpflichtung gegen Freiwilligkeit … alles gut geeignete Themen, um Emotionen hoch gehen zu lassen […]

Widerstand

Der vietnamesische Arzt hatte sich gewehrt, wie wir den Tagesmeldungen ab 12. April entnehmen konnten: Zuerst dagegen, dass er wegen der Überbuchung aus dem Flugzeug der United Airlines aussteigen sollte, dann gegen seine gewaltsame Entfernung durch drei an Bord gerufene Polizisten. Wegen der Folgen – Gehirnerschütterung, gebrochene Nase, zwei ausgeschlagene Zähne – werde er nun die Fluglinie klagen, hieß es tags darauf. Und kurz darauf wurde publiziert, dass dem alten Mann (69 Jahre!) 10 Jahre lang seine Arztapprobation in den USA entzogen worden war und er wegen illegaler Rezeptausstellung auf Bewährung verurteilt worden war und sich in dieser Zeit als Pokerspieler seinen Lebensunterhalt verdient hatte. (Bei Ex-Tennis-Ass Boris Becker wird dieser Art des Gelderwerbs applaudiert.)

Ich frage mich: Hat sich da jemand mit „anrüchigen“ Vergangenheitsinformationen Geld verdienen wollen – oder schlägt das Imperium Fluglinie untergriffig zurück, um „präventiv“ für die Schadenersatzforderungen den Kläger anzupatzen?

Ideal-Ich

Üblicherweise hat jeder Mensch eine Idealvorstellung von sich selbst, und die hängt weitgehend von der erfahrenen Namensgebung ab. Von dem berühmten Soziologen Norbert Elias stammt der Satz, „Gib einer Gruppe einen schlechten Namen und sie wird ihm nachkommen“ (in „Etablierte und Außenseiter“). So gab ein schwer misshandeltes 4jähriges Mädchen, als es von den Fürsorgebeamten um seinen Namen gefragt wurde, den Namen „Idiot“ an (http://edition.cnn.com/2016/08/18/health/arkansas-abused-child-trnd/). So etwas ist meist ein echter Fluch – was bedeutet, dass er mit großer Wahrscheinlichkeit in Erfüllung gehen wird.

Neutralitätsgebot

Eine freiberufliche Deutschlehrerein am Berufsförderungsinstitut (BFI) der Steiermark will gegen dessen Kopftuchverbot klagen und die Geschäftsführung kontert mit Hinweis, sie stehe zu dem „Neutralitätsgebot“ (lese ich soeben in orf.online).

Ich sehe in dieser Art von Neutralität in religiösen oder anderen weltanschaulichen Fragen einen schweren Rückschritt in der mühsam erkämpften Religionsfreiheit (aber auch Meinungsfreiheit). Religionsfreiheit bedeutet – und das kann nicht oft genug betont werden – die Akzeptanz jedes religiösen Bekenntnisses, besonders jedes staatlich anerkannten, und ebenso die Freiheit, keines zu haben. Die Grenze sollte nur das Strafgesetz sein.