Intimizide
Vorab: Das neue zweite Buch von Yvonne Widler, Leiterin des „Lebensart“-Ressorts der Tageszeitung Kurier, „Heimat bist du toter Töchter. Warum Männer Frauen ermorden – und wir nicht mehr wegsehen dürfen“ (Kremayr & Scheriau, € 24,–) ist das beste, was ich in den letzten Wochen gelesen habe – und ich lese fast täglich ein Buch. Jede Frau und jedes Mädchen sollte es lesen. Es wird sie desillusionieren – und das ist nicht nur grundsätzlich wichtig, sondern eben oft auch lebensrettend.
Was mir – auch als bisher einzige österreichische Universitätsprofessorin für Prävention und Gesundheitskommunikation – besonders gefallen hat, ist die intensive Recherche – auch wenn sie Kritiker:innen an den auch hier wieder genannten Täter-Motiven wie mich, nicht befragt hat. Verständlich, Widler ist Journalistin und daher kann sie einen allfälligen Vorwurf mangelnder Objektivität ignorieren, wir Wissenschafter:innen nicht – und dem Verkaufs- und Besinnungserfolg des Buches, den ich ihr von Herzen wünsche, wird die „Parteilichkeit“ nützen, und das ist auch gut so, und wenn es auch nur einer Frau das Leben rettet – und auch das Gewissen.
So habe ich erst vergangenen Donnerstag mit einer 84jährigen Frau gearbeitet, die noch immer Schuldgefühle hat, dass sie sich als 16jährige aus Angst um ihr Leben ihrem Vergewaltiger (dem Taxilenker, der sie heimbringen sollte!) „gefügt“ hat. Ja, nicht der – nicht angezeigte, es waren die 1950er Jahre! – Täter hat „lebenslänglich“, sondern die Überlebende […]