Verordnete Scham

Wenn man attackiert wird, hat man – wie in der Tierwelt – grob gesprochen drei Möglichkeiten zu reagieren: Kämpfen (da gehört auch die Selbstverteidigung dazu), flüchten oder sich totstellen (auf Menschenart heißt das dann: resignieren, sich unterwerfen lassen und depressiv werden).

Attackieren kann man auf vielerlei Weise, nicht nur sichtbar körperlich (denn der Körper ist immer dabei – auch mit Blicken, Worten oder Körpersprache werden Attacken „verkörpert“). Das Ziel ist immer, andere zu dominieren – ihnen Zeit (z. B. sich zu äußern), Raum (z. B. Bewegungs- oder Rückzugsraum), Eigentum und Rechte, und, besonders beliebt, Ansehen zu nehmen. Die Liste kann noch lange weiter ergänzt werden, es geht aber stets darum, siegreich zu sein.

Man braucht nur die Redensweisen von Politikern und Politikerinnen zu beobachten und merkt dann bald, auf welche Weise einerseits trivial aggressiv oder besserwisserisch überheblich „Kampfstimmung“ verbreitet wird – oder mit bekümmerter Miene Schuldgefühle hervorgerufen werden sollen. Beides zählt zum Repertoire der sogenannten „Schwarzen Pädagogik“ (so der Titel eines Sammelbandes historischer Erziehungsratschläge von Katharina Rutschky) und ist vermutlich allen von frühester Kindheit an wohlbekannt – wie auch all die Versuche, sich mehr oder weniger erfolglos dagegen zu wehren […]

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