Rotraud A. Perner
10-08-2011
Die jüdische Siedlerbewegung
Rechtliche, psychosoziale und ethische Problemstellungen bei Exkursionen von Angehörigen einer österreichischen Universität in die annektierten Gebiete Jerusalems
s’ist möglich, dass in Sachsen und beim Rhein
Es Leute gibt, die mehr in Büchern lasen;
Allein, was Not tut und was Gott gefällt,
der klare Blick, der offne, richt’ge Sinn,
Da tritt der Österreicher hin vor Jeden,
Denkt sich sein Teil und lässt die Andren reden!
Franz Grillparzer,
„König Ottokars Glück und Ende“ III. Aufzug
Herangehensweise an die Aufgabenstellung:
- Identifizierung der Problemlage aus juristischer und mediatorischer Sicht
- Ausloten Problem lösender Handlungsalternativen
Ad A.
Wenn Jurist/innen eine künftige Situation präventiv bewerten sollten,
- prüfen sie zuerst, welche Rechtsbereiche tangiert werden könnten,
- danach antizipieren sie mögliche Konflikte und
- überlegen, welche möglichen Normen durch welche Handlungen verletzt werden könnten (und je nach Auftragslage, wie dem vorab zu begegnen wäre),
- schaffen sich Überblick über die geltende Rechtslage (und die begründenden Motive sowie mögliche Umkehrtrends)
- und benennen die Personen, welche die relevanten Entscheidungen zu treffen haben.
MediatorInnen – die bekanntlich im Gegensatz zu JuristInnen, deren Ziel immer Festlegung klarer Normen durch Gesetze, Verordnungen, Bescheide und Urteile oder Verträge darstellen, auf Veränderung des Konfliktgeschehens hinarbeiten – werden sich auf die unausgesprochenen Ziele konzentrieren, die hinter den Konfliktpositionen verborgen liegen, um durch mehr Offenheit und mehr Kooperationsbereitschaft eine Problem lösende Vereinbarung zu erzielen.
Mögliche Rechtsbereiche:
Im konkreten Fall von Exkursionen samt archäologischen Betätigungen ins Ausland könnten aus juristischer Sicht folgende Fragenkomplexe und damit Rechtsbereiche auftauchen:
- Zivilrechtliche Fragen: wer haftet, wenn Schaden entsteht; zu den potenziell Geschädigten zählt nicht nur die die Exkursion leitende universitätsangehörige Person und jemand aus dem Kreis ihrer StudentInnen; für diejenigen, die Leitungsaufgaben übernehmen, ergeben sich in solch einem Bereich aus dem Angebot und der Organisation Fürsorgepflichten, auch wenn es sich um freiwillige Teilnahme großjähriger Menschen handelt (hier können analog die Pflichten von kommerziellen Reiseveranstaltern herangezogen werden), sondern auch die Universität – etwa bei der Frage, wo und wie allfällige wissenschaftlich relevante Ergebnisse publiziert bzw. vermarktet werden dürfen oder sollen, von möglichen Imageschäden und Zeitverlust – der ja auch einen Kostenfaktor darstellt – bei Krisenkommunikation und Schadensbehebungsaktivitäten abgesehen.
Jedenfalls müssten die TeilnehmerInnen an solchen Exkursionen immer relevante Informationen über mögliche Gefährdungen mitgeteilt und dies der guten Ordnung halber dokumentiert werden.
- Allenfalls strafrechtliche Fragen bei Fehlverhalten aus leichter bzw. grober Fahrlässigkeit (Absicht sollte ausschließbar sein!), das zu Schäden an Leib und Leben geführt hat;
- Universitätsrechtliche Fragen, wenn es um die Fragen der Verantwortlichkeit innerhalb der Universitätsorganisation wie auch hinsichtlich Verletzung von übergeordneten nationalen oder internationalen Normen geht, an die die Universität gebunden ist
- Politische Fragen, die sich aus dem Verhältnis des Staates Österreich zu dem jeweiligen konkreten Staat ergeben, in dem der Zielort der Exkursion liegt.
Wenn nun eine einer österreichischen Universität zugehörige Lehrperson im Rahmen ihrer Lehrtätigkeit mit ihren StudentInnen eine Exkursion unternimmt, ist
- zuerst deren Auftragslage bzw. Legitimation zu klären. Hier haben meine Recherchen ergeben, dass dafür kein explizites juristisches Procedere vorgesehen ist. Grundsätzlich gilt § 2 Universitätsorganisationsgesetz 2002 / Fassung 2009, Ziffer 1: „Die leitenden Grundsätze für die Universitäten bei der Erfüllung ihrer Aufgaben sind: 1. Freiheit der Wissenschaft und ihrer Lehre (Art. 17 StGG) und Freiheit des wissenschaftlichen und künstlerischen Schaffens, der Vermittlung von Kunst und ihrer Lehre.“. Bedeutsam ist auch Ziffer 8: „Zusammenwirken der Universitätsangehörigen“, woraus geschlossen werden kann, dass wechselseitige Abstimmung und Konsens bei Kooperationen, Konkurrenzen und Konflikten erwartet wird.
- Art. 17 Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger (StGG) 1867 legt fest: „Die Wissenschaft und ihre Lehre ist frei.“, aber auch: „Dem Staate steht rücksichtlich des gesamten Unterrichts- und Erziehungswesens das Recht der obersten Leitung und Aufsicht zu.“ Daraus abgeleitet besitzt eine Person mit facultas bzw. venia docendi grundsätzliche Lehrfreiheit, d. h. sie kann im Rahmen ihres Lehrauftrags selbstverantwortlich Inhalte und Mittel ihrer Lehre bestimmen; dass diese Freiheit durch höherrangige Normen wie Sondergesetze bzw. das Strafgesetzbuch begrenzt sind, muss nicht ausdrücklich in Erinnerung gerufen werden. Im UG § 22 (2) ist jedoch ausdrücklich festgehalten, „… Das Rektorat kann Entscheidungen anderer Organe mit Ausnahme der Beschlüsse des Universitätsrats zurückverweisen, wenn diese Entscheidungen nach Auffassung des Rektorats im Widerspruch zu Gesetzen und Verordnungen einschließlich der Satzung stehen. Der Universitätsrat ist in schwerwiegenden Fällen zu informieren.“
- Sollten nachgeordneten Personen Aufträge erteilt werden, ist abzuklären bzw. festzulegen, in welcher Eigenschaft diese tätig werden sollen: als Lernende (im eigenen Namen) mit dem Ziel, Sichtweisen und Fertigkeiten zu erwerben, oder ob als ErfüllungsgehilfInnen (im Namen der Auftrag gebenden Person), d. h. ohne eigenes Interesse, daher mit voller Zuschreibung möglicher Verpflichtungen zu der Auftrag gebenden Person. Davon hängt wiederum ab, inwieweit die Auftrag gebende bzw. anleitende Person für allfällige Schäden haftet.
Ist eine Exkursion dem Studium der Katholischen Theologie oder der Evangelischen Theologie zuzuordnen, kann aus den Bestimmungen von § 38 (1) – Katholische Theologie – und (2) Evangelische Theologie UG – herausgelesen werden, dass nicht nur bei der Bestellung von Lehrkräften sondern auch in anderen Fragen, die für die jeweilige Kirche Bedeutsamkeit und Folgeträchtigkeit besitzen (könnten), Einvernehmen herzustellen wäre.
Nun geht es im konkreten Fall aber nicht um irgendwelche Exkursionen samt archäologischem Praxiserwerb ins Ausland, sondern um eine Exkursion in die international, auch von Österreich, als illegal verurteilten besetzten Gebiete Jerusalems, sodass allfällige Positionierungen zur Gutheißung solcher Exkursionen sich weit über universitätsinterne Rechtsfragen hinaus bewegen.
Im Blickpunkt möglicher Bedeutsamkeit und Folgeträchtigkeit steht daher nicht nur
- die Evangelischen Kirche in Österreich, die verständlicherweise in Sorge ist, dass etwaige Störfälle im Zuge von Exkursionen in annektierte Gebiete Jerusalems auf sie zurückfallen könnte, da sie ja als Körperschaft öffentlichen Rechts besondere Verantwortung trägt,
- sondern auch die seit 1948 so genannte „neue Propstei“ in Jerusalem (Zentrum der evangelisch-lutherischen Arbeit in Jerusalem und Dienst- und Wohnsitz des Propstes sowie der Vertreter der amerikanischen Lutheraner bzw. später des Lutherischen Weltbundes)[1].
Daraus ergeben sich folgende politische Fragen:
Unabhängig von der Frage, ob bzw. wie weit Exkursionen mit StudentInnen unter der Ägide einer Lehrkraft der Evangelisch-Theologischen Fakultät in Zusammenhang mit problematischen Bauvorhaben zur weiteren Ansiedlung von Israelis in „umstrittenen“ vulgo besetzten Gebieten Jerusalems stehen könnten[2] und damit eine nicht genehmigte Kooperation mit Bauträgern denkbar wäre, ist festzuhalten, dass Österreich seine Position auf Basis des Art. 2(4) der Charta der Vereinten Nationen[3] sowie auch der UN-Sicherheitsrats-Resolutionen 242 vom 22. 11. 1967 sowie 478 vom 20. 8. 1980 festgelegt hat, in denen die Annexion Ostjerusalems und der Westbank nicht anerkannt wird.
Gebietsveränderungen werden international nur anerkannt, wenn sie im Zuge von Friedensverträgen vereinbart wurden.
Außerdem untersagt Art. 49 der IV. Genfer Konvention vom 12. 8. 1949 nebst Aussiedlungen aus okkupierten Gebieten auch die Umsiedlung von Zivilisten, die Staatsangehörige einer Besatzungsmacht sind, in die Territorien eines besetzten Gebietes. Ebenso wurde die Errichtung des „Schandzaunes“[4] zur Abgrenzung der besetzten Gebiete durch das Gutachten des Internationalen Gerichtshofs vom 9. 7. 2004 verurteilt: „Das Urteil des Internationalen Gerichtshofs in Den Haag vom 9. Juli 2004, das einerseits Israels Recht anerkannte, sich innerhalb seiner akzeptierten und anerkannten Grenzen von 1949 – 1967 zu verteidigen, andererseits jedoch – selbst in der Minderheitsmeinung des jüdisch-amerikanischen Richters – Israel das Recht absprach, seine Siedlungen jenseits dieser Grenzen mit einer Mauer zu umgeben und dadurch die Grundrechte der Palästinenser nachhaltig zu verletzen, ein Urteil, das Premier Sharon als ,schlicht böse’ bezeichnete, setzte den Richterspruch der höchsten gerichtlichen Instanz in Israel ins richtige Verhältnis.“[5]
Von Angehörigen österreichische staatlicher Institutionen wie beispielsweise Universitäten es sind, wird erwartet, so die Aussage des vom Büro des Außenministers genannten Experten, dass sie alles unterlassen, was dem Staat Ungemach verschaffen könnte, indem ihnen und ihren Handlungen die Akzeptanz illegaler Aktionen andere Staaten unterstellt werden könnte. Dies könnte daraus erschlossen werden, dass ja um nationalstaatliche Grabungslizenzen angesucht werden muss, was bedeutet, dass indirekt die staatliche Verwaltungstätigkeit anerkannt wird.
Um solche Unterstellungen nicht aufkommen zu lassen, empfiehlt sich vorab eine eigene protestierende Einstellung nachvollziehbar zum Ausdruck zu bringen – was wiederum das Ziel der Genehmigung gefährdet – ein klassisches ethisches Dilemma.
Ein weiteres ethisches Dilemma kann sich – unabhängig von den Grundsatzfragen der Zulässigkeit bzw. Opportunität von Exkursionen mit archäologischen Praxisinhalten – im Zusammenhang mit Fragen der Finanzierung bzw. Drittmittelfinanzierung ergeben. Werden Einrichtungen von Universitäten für drittmittelfinanzierte Forschungen benutzt, sieht das Universitätsgesetz einen Kostenbeitrag an die Universität vor. Eine Auflistung aller möglichen Formen von Forschungen bzw. auch Lehrtätigkeiten unter Drittmittelfinanzierung fehlt, daher bleibt es dem jeweiligen Universitätsrat vorbehalten, hier allfällige Entscheidungen zwecks Unbedenklichkeitserklärung ad hoc abzugeben.
Ad B.
Aus universitätsrechtlicher Sicht wäre nach Abwägung der relevanten Einflussfaktoren und der ethischen Frage, welches Ziel das „höherwertige Gut“ darstellt, die Konfliktlage „bottom up“, möglicherweise sukzessive, zuerst dem Dekan, dann von ihm aufwärts den jeweils übergeordneten Autoritäten zur Entscheidung für Genehmigung oder Untersagung vorzulegen.
Dabei ist zu bedenken, dass die Frage, ob wissenschaftliche Tätigkeit bzw. Erkenntnis gegenüber Vermeidung zwischenstaatlichen Konfliktpotenzials niederrangig gewertet werden soll, vom Widerstandsgeist der jeweiligen realen Personen wie auch Institutionen abhängig ist.
Genau hier wird aus mediatorischer Sicht der Blickwinkel angelegt: um eine juristischen Kampf, der Sieg und Niederlage und damit möglicherweise listige Urteilsumgehungen oder Racheaktionen bewirkt, zu vermeiden, sieht das von dem Professor für Rechtswissenschaft an der Harvard Law School und Direktor des Harvard Negotiation Projekts, Roger Fisher, besonders für diplomatische Konflikte entwickelte so genannte Harvard-Konzept vor,
- „nicht um Positionen zu feilschen“, sondern
- statt dessen das Wertesystem, die Einstellungen und den Verhandlungsstil der jeweils oppositionellen Partei zu respektieren, wie irrational diese auch scheinen mögen,
- und über die demonstrativ-sukzessive Entwicklung von Entscheidungsmöglichkeiten zur Auswahl der akzeptablen Verpflichtungen überzugehen.[6]
In der Psychoanalyse nach Sigmund Freud gibt es ein Übertragungsphänomen in Gruppen, das gerne als „Parallelprozess“ bezeichnet wird: das, was das Thema darstellt, das im Augenblick diskutiert wird, spiegelt sich synchron in der Gruppe wieder[7].
Wenn es also im universitären Bereich um Tätigkeiten in einem von zwei Staaten und ihren Angehörigen „umstrittenen“ Gebiet geht, werden erfahrene PsychoanalytikerInnen nicht überrascht sein, wenn plötzlich ein analoger Konflikt auftaucht und das Bestreben, dass zwei Positionen Recht zugesprochen werden soll.
„Die Menschen befinden sich in einem Dilemma.“, schreibt Roger Fisher. „Sie kennen meist nur zwei Verhandlungsweisen: die harte oder die weiche. Derjenige, der weich verhandelt, will persönliche Konflikte vermeiden und macht daher eher Zugeständnisse, um so eine Übereinkunft zu erzielen: er sucht nach einer friedlichen Lösung. Oft endet das allerdings mit dem bitteren Gefühl, dass er ausgenutzt wird. Der hart Verhandelnde betrachtet jede Situation als einen Willenskampf, in dem die Seite besser fährt, die die extremere Position einnimmt und die länger durchhält. Er will gewinnen. Doch das endet oft damit, dass er eine ebenso harte Antwort bekommt, dass seine Mittel sich erschöpfen und seine Beziehungen zur anderen Seite in Mitleidenschaft gezogen werden.“[8] (Hervorhebungen im Original)
Wer mit dem mediatorischen Denken vertraut ist, weiß dann, dass juristische Problemlösungen den Konflikt nicht bereinigen sondern eher perpetuieren. Dies deshalb, weil sich Fronten besonders dann verhärten, wenn jemand Inkorrektheit oder sogar Gesetzesbruch vorgeworfen wird, der sich im Recht fühlt.
Mediation als Konfliktlösungstechnik stammt aus den USA, deren Rechtssystem stark auf der Möglichkeit beruht, Gesetzesbrüche durch „Deals“ zu bearbeiten, in denen die Delinquenten die Möglichkeit wahrnehmen können, durch Aushandeln von freiwilligen Bußbeweisen auf quasi gleicher Augenhöhe mit dem Staatsanwalt – das kann auch Geständnis einer Straftat zur Abwehr der Anklage wegen eines anderen Delikts sein – das Gericht aber auch sich selbst zu entlasten. Sie steht im Gegensatz zu der europäischen, auf dem Römischen Recht beruhenden Tradition, einen Monarchen allein (gnädigenfalls mit der Chance, im Kampf mit wilden Tieren am Leben zu bleiben) die Entscheidung vorzubehalten. Eine Angleichung der beiden Rechtssysteme zeichnete sich in Österreich erst nach der so genannten Großen Strafrechtsreform der 1970er Jahre mit der Einführung des Außergerichtlichen Tatausgleichs (ATA) und der Diversion (d. h. Verzicht auf formelles Strafverfahren, freiwillige Mitwirkung der Beschuldigten mit opferbezogener Ausrichtung, Aufrechterhaltung der Unschuldsvermutung, Verfahrensbeendigung ohne Schuldspruch) auch im Erwachsenenstrafrecht (Strafprozessnovelle 1999) ab.
Mediation entspricht dieser Einstellung und Zielrichtung in Zivilrechtsangelegenheiten; sie stützt sich im Wesentlichen auf die Allparteilichkeit der mediierenden Person, deren Aufgaben die Sicherung der Einhaltung wertschätzender Kommunikationsregeln durch die Streitparteien, Klarlegung der widersprüchlichen Interessenslagen und schrittweises Ausloten gegenseitiger Unterstützungsmöglichkeiten zur Erreichung des beide einenden Ziels sind. Gibt es kein übergeordnetes gemeinsames Ziel, wird Mediation voraussichtlich scheitern. Dann kann immer noch der traditionell juristische Kampf vor den Schranken des Gerichts stattfinden.
Diese wie bereits angeführt „amerikanische“ Zugangsweise findet sich auch angedeutet, wenn Zertal und Eldar im Zusammenhang mit dem „gefährlichen, provokativen Akt“[9] des Besuchs von – damals – Oppositionsführer Ariel Sharon auf dem Tempelberg am 28. September 2000 schreiben: „Im Unterschied zu ihrer traditionellen Haltung, keiner Seite die Schuld zuzuschreiben oder aber automatisch Israel Rückendeckung zu gewähren, erklärten sogar die Amerikaner, es sei Sharons Besuch gewesen, der die Explosion ausgelöst habe.“[10]
Im Konflikt Israel – Palästina könnte solch ein gemeinsames Ziel die friedliche Koexistenz und internationale Reputation für gelebte Kooperation darstellen. Was dieses mögliche gemeinsame Ziel gefährdet, ist das radikale religiös-ideologische Festhalten am „göttlichen Befehl“ das Land der Vorväter zu erben[11], mit dem Mord und Totschlag im Befolgen von din rodef (Erlaubnis eine Person zu töten, die Juden verfolgt) und din mosser (Erlaubnis, einen Spitzel zu töten oder jemanden, der Juden an Nichtjuden ausliefert) sogar gegen hochrangige Staatsrepräsentanten[12] rechtfertigt wird. Die Berufung auf die übergeordnete Autorität Gottes ermöglicht derart die Kritik abwehrende Selbstgerechtigkeit bis hin zum Fanatismus. Wollte man also aus mediatorischer Sicht Raum für einen selbstkritischen Entwicklungsschritt zu Friedfertigkeit und Gewaltverzicht schaffen, müsste dieser ohne Überheblichkeit sondern gleichsam im Schulterschluss und echtem Bemühen um die gleiche Blickrichtung aus den heiligen Texten herausgearbeitet werden.
Die Konfliktlösung müsste also in dem „System“ der Frieden gefährdenden Personen gefunden werden, das ihnen ethische Höchstrangigkeit bedeutet, und bei deren Vertretern, den Rabbinern.
Im Parallelprozess des Konflikts um Exkursion mit Möglichkeit archäologischer Praxis könnte das gemeinsame Ziel der Schutz der Institutionen Universität und Evangelische Kirche sein. Es wäre daher notwendig, herauszufinden, ob irgendwelche Tatsachen – angenommene Zusagen, Verpflichtungen etc. entsprechend dem „Bündnis“ Gottes mit dem Volk Israel – vorliegen, die die Gefahr in sich bergen, dass eine der Konfliktparteien „ihr Gesicht verliert“ oder sogar ihr Selbstverständnis. Dies müsste aus mediatorischer Sicht unbedingt verhindert werden.
Leider ist noch immer üblich, mit Einschüchterungen und Drohungen erwünschtes Verhalten erzwingen zu wollen. Gewaltfreie Kommunikation (GFK) – auch eine in den USA entwickelte Methode zur Deeskalation von Konflikten[13] – oder wie ich in meiner eigenen Berufstätigkeit formuliere: gewaltverzichtende Kommunikation – ist ja in Europa noch Geheimwissen einer Avantgarde, die der zunehmenden Gewaltbereitschaft, wie subtil sie auch sein möge, eine Grenze setzen möchte.
Deshalb ist auch verständlich, weshalb noch immer primär juristische Konfliktbeendigungen gesucht werden, denn:
„Wer in seinem Werkzeugkasten aber nur einen Hammer hat, der sieht bald jedes Problem als Nagel.“[14]
Quellenangaben:
Die österreichischen Bundesverfassungsgesetze, herausgegeben von o. Univ. Prof. Dr. Leopold Werner. Manzsche Verlags- und Universitätsbuchhandlung 1963
http://www.verfassungen.de/at/stgg67-2.htm abgerufen am 8. 8. 2011
http://www.bmwf.gv.at/uploads/tx_bmwfcontent/UG_2002_Stand_1._Jaenner_2009.pdf abgerufen am 5. 8. 2011
Telefon- Interview mit Botschafter Dr. Helmut Tichy, Bundesministerium für Europäische und Internationale Angelegenheiten am 5. 8. 2011
http://www.un.org./Depts/german/un_charta/charta.pdf
http://de.wikipedia.org/wiki/Genfer_Konvention#Genfer_Abkommen_IV abgerufen am 9. 8. 2011
http://www.icj.cij.org/docket/index.php?p1=3&p2=4k=5acase=131code=mwpp3=4 abgerufen am 5. 8. 2011
http://www.diakonia.se/sa/node.asp/node=841 abgerufen am 9. 8. 2011-08-09
http://middleeat.about.com/od/documents/qt/me081005.htm abgerufen am 9. 8. 2011
http://www.wienerzeitung.at/nachrichten/politik/welt/50738_Israel-Baustopp-in-Jerusalem-tabu.html abgerufen am 9. 8. 2011
Telefon- Interview mit Hon. Prof. Dr. Raoul Kneucker am 5. 8. 2011
http://www.evangelisch-in-jerusalem.org/Forschung/… abgefragt am 9. 8. 2011
http://lutheranworld.org/Wir_ueber_uns/LWB-Welcome.html , abgefragt am 9. 8. 2011
Fisher Roger, Kopelman Elizabeth, Kupfer Schneider Andrea, Jenseits von Machiavelli. Kleines Handbuch der Konfliktlösung. Heyne TB, München 1997
Fisher Roger, Ury William, Patton Bruce M., Das Harvard-Konzept: Sachgerecht verhandeln – erfolgreich verhandeln. Campus Verlag Frankfurt / New York 1984
http:// www.dengg-geisler- gredler.at/artikel/pdf/diversion.pdf abgerufen am 10. 8. 2011
Rosenberg Marshall B., Gewaltfreie Kommunikation – Eine Sprache des Lebens. Junfermann, Paderborn 2001/ 04
Zertal Idith, Eldar Akiva, Die Herren des Landes. Israel und die Siedlerbewegung seit 1967. Deutsche Verlags-Anstalt, München 2007
Fußnoten
[1] Nachdem England und Preußen 1841 das gemeinsame Bistum Jerusalem gegründet hatten und die Briten 1917 Palästina besetzt und deutsche Einrichtungen beschlagnahmt hatten, wurde 1948 nach der Gründung des Staates Israel die deutschen evangelischen Einrichtungen unter die Treuhandschaft des (1947 im schwedischen Lund gegründeten und nunmehr 147 Mitgliedskirchen in 79 Ländern weltweit mit rund 70 Millionen ChristInnen umfassenden) Lutherischen Weltbundes gestellt.
[2] http://www.wienerzeitung.at/nachrichten/politik/welt/50738_Israel-Baustopp-in-Ostejrusalem-tabu.html
[3] Art. 2 (4): „Alle Mitglieder unterlassen in ihren internationalen Beziehungen jede gegen die territoriale Unversehrtheit oder politische Unabhängigkeit eines Staates gerichtete oder sonst mit den Zielen der Vereinten Nationen unvereinbare Androhung oder Anwendung von Gewalt.“
[4] http://rauch.twoday.net/stories/5832973/
[5] E. Zertal, A. Eldar, Die Herren des Landes, S. 442
[6] R. Fisher u. a. 1984, S. 13
[7] Wenn beispielsweise zum Thema Konkurrenz gearbeitet wird, brechen gleichzeitig in der Gruppe Konkurrenzkämpfe los, geht es um Ausgrenzung, wird ein Gruppenmitglied ausgegrenzt etc.
[8] R. Fisher u. a. 1984, S. 16
[9] I. Zertal, a. Eldar, s. o., S- 450
[10] I. Zertal, A. Eldar, s. o., S. 453
[11] I. Zertal, A. Eldar, s. o., S. 398
[12] I. Zertal, A. Eldar, s. o., S. 405
[13] Vgl. Marshall B. Rosenberg, Gewaltfreie Kommunikation
[14] Vgl. M. B. Rosenberg, Gewaltfreie Kommunikation