Diagnosefehler

Mit großem Interesse habe ich die ORF-Berichterstattung vom niederösterreichischen SPÖ-Parteitag in Schwechat verfolgt – und war entsetzt. Da rief doch die designierte Parteivorsitzende und damit auch Oppositionsführerin Dr. med. Pamela Rendi-Wagner eine Kampfansage ins Publikum und nannte dabei die derzeitige Regierung „asozial“.

Damit kein Missverständnis entsteht: Mir ist klar, dass einige Regierungs-Vorhaben nicht dem entspricht, was die SPÖ als sozial bezeichnet wissen will – trägt sie doch das programmatische Wort in ihrem Namen: „sozial-demokratische“ Partei. (In der Zeit, als ich Mandatarin der SPÖ war, hieß sie noch „sozialistische“ Partei Österreichs.) Auch die Nationalsozialistische Arbeiterpartei Deutschlands (NSDAP) beanspruchte diese Bezeichnung für sich. Allerdings besteht ein Unterschied, wenn einem Begriff die Endsilbe „-istisch“ angefügt wird: Dann will man auf eine Steigerung, Übertreibung oder Verzerrung hinweisen. Biologisch ist beispielsweise etwas anderes als biologistisch. Und auch zwischen human und humanistisch besteht solch eine Differenzierung.

Wenn sich daher eine Partei beispielsweise als christlich-sozial bezeichnet, ist das eine andere Selbstdarstellung als würde sie sich christlich-sozialistisch nennen … und dann kann man überprüfen, wie weit ihre Programme und Handlungen der christlichen Soziallehre entsprechen. Das setzt allerdings einen Dialog voraus (der dringlich und sinnvoll wäre) – nicht aber einseitige Etikettierungen.

hier weiterlesen >>>